Seit einigen Tagen trendet auf Twitter der Hashtag „Hass ist keine Meinung“, angestoßen durch Initiativen der Polizei. Dieser stößt von vielen Seiten auf Kritik. Stimmen werden laut und befürchten eine Zensur und Unterdrückung der Meinungsfreiheit.
Der Hashtag steht als Slogan sinnbildlich gegen eine verrohte online-Kommunikation und Diskriminierung. Es geht nicht darum, Hass pauschal als strafbar oder gar verboten zu sehen. Eine schlechte Meinung oder Abneigung gegen etwas zu haben ist nur menschlich und in einer heterogenen und pluralisierten Gesellschaft sogar notwendig. Im Prozess der Identitätsfindung und
-entwicklung ist es ganz normal, sich von Anderen abzugrenzen. Als Star-Trek-Fan kann ich Star Wars hassen und mich durch diese Abgrenzung in meinen eigenen Interessen über die der Anderen stellen, mich selbst mit meiner Meinung profilieren.
Wenn jedoch Hass als Instrument der Unterdrückung genutzt wird, steht hinter der vermeintlichen Meinung destruktives Verhalten. Hass gegen diskriminierte oder marginalisierte Menschen oder Gruppen verfolgt dabei ein Kalkül. Hier geht es nicht mehr um eine Meinung zu einem fiktiven Fantasy-Universum, oder welches Essen ich am liebsten mag. Hier wird Hass zu einer Agenda und auf zwei Ebenen zum Problem:
Wird ein Mensch auf diese Art zum Ziel von Hass, trifft es diesen als Person oder als Projektionsfläche für eine ganze Gruppe von Menschen. Beleidigungen oder Volksverhetzungen verletzen hier also Menschen öffentlich in ihrer verfassungsrechtlich gesicherten Menschenwürde. Dabei spielt die Sachebene einer emotionalen Aussage in einem subjektiven Sinne keine Rolle, sobald sich jemand dadurch angegriffen fühlt. Meinungsfreiheit darf nicht als Freifahrtschein für öffentliche Diffamierung angenommen werden.
Auf der zweiten Ebene führt eine zunehmend hasserfüllte Kommunikation vor allem in einem dynamischen Feld wie sozialen Netzwerken zu einer Verrohung. Durch eine ständige Präsenz von Hass entsteht die Illusion von nahezu grundsätzlich aggressiver Auseinandersetzung. Dabei kann es immer sein, dass sich Menschen dadurch angegriffen fühlen, unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz.
Durch räumliche Distanz und Pseudonymität fällt es Menschen leicht, online „Druck abzulassen“. Ist das ein Umgang miteinander, den wir uns wünschen? Niemand würde auf dem Marktplatz laut Hasstiraden verkünden, nur weil ihm/ihr gerade etwas nicht in den Kram passt. Geschweige denn könnten wir uns heute überhaupt noch draußen aufhalten, wenn alle ungebremst ihren Hass verkündeten. Was gibt uns also das Bedürfnis, jede Unstimmigkeit kommentieren zu müssen? Mit dem Hashtag #hassistkeinemeinung sollen Menschen nicht in ihrer Meinung zensiert oder beschnitten werden. Er will viel mehr darauf hinweisen, dass ein Bewusstsein für Hass und der schmale Grat zu verletzenden Äußerungen in das Bewusstsein der Kommunikation neuen Einzug erhalten müssen.
Wir denken, Hass ist emotional und Hass kann – gerade in juristischer Hinsicht – eine Meinung sein. Hass ist nicht allgemein verwerflich oder verboten. Aber Hass hat in einer derartigen Fülle noch niemandem geholfen.
Ab und an fühlt es sich vielleicht besser an, die eigene Wut nicht auf allen Kanälen zu verbreiten. Probieren Sie es doch mal aus! 🙂